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Mittwoch, 07. August 2002 – 5. Tag

Am Morgen starten wir mit José zu einem Stadtrundgang durch Potosi. Die Luft ist dünn und kalt. Als erstes besuchen wir die Casa Real de la Moneda, die frühere königliche Münze, in der das Silber der Stadt geprägt wurde. Das massive Bauwerk mit über 1 m dicken Wänden nimmt einen ganzen Häuserblock ein.

Nach der Unabhängigkeit fungierte das Gebäude auch als Gefängnis, Festung und während des Chacokriegs sogar als Hauptquartier der bolivianischen Armee. Heute ist hier eines der wichtigsten Museen des Landes unterbracht.

Im ersten Innenhof fällt sofort eine riesige lächelnde Maske des Weingottes Baccus ins Auge, heute ein Symbol für die Stadt und deren vergangenen Reichtum. Im Untergeschoss befinden sich allerlei alte Gerätschaften zur Silberverarbeitung. Besonders eindrucksvoll sind die riesigen hölzernen Prägemaschinen, die von Sklaven in Bewegung gesetzt wurden. Die schweren Holzbalken mussten die Sklaven zuvor aus Argentinien herschaffen.

Auch hier mussten in früherer Zeit viele der Sklaven ihr Leben lassen. Afrikaner, von den Spaniern ins Land geschleppt, hielten wegen der Höhe sowie den unmenschlichen Arbeitsbedingungen selten länger als 3 Monate durch. Später übernahmen dann Maultiere aus Brasilien und Argentinien die Aufgabe, aber auch diese blieben selten länger als 3 Monate am Leben.

In den oberen Räumen ist eine Kunstgalerie mit Kolonialgemälden untergebracht, ebenso eine Ausstellung mit Silberarbeiten, Münzsammlung und noch mehr. José erklärt uns bei einigen Bildern, wie die Maler es geschafft haben, neben christlichen Symbolen auch ‚ihre’ Symbole in die Bilder einzubringen, ohne dass die Spanier es merkten.

Weiter führt uns José auf dem Stadtrundgang durch kleine Gassen. Aber immer geht es bergauf oder bergab. Wir probieren eine Spezialität von Potosi, süßes, klebriges Gebäck, das aber sehr lecker schmeckt. Viele sind am japsen und Rudolf wundert sich, dass die Bolivianer bei der dünnen Luft noch nicht ausgestorben sind (wer strengt sich da schon gern an).

Wir schlendern noch über einen Markt und dann haben wir Freizeit.

„Blick auf den Cerro Rico"

Einige von uns besuchen ein Restaurant (wir müssen 3 Treppen hochsteigen – ohne hoch und runter ist hier anscheinend gar nichts zu erreichen); die Aussicht über Potosi ist jedoch einfach toll.

Am Nachmittag ist Besichtigung des ‚Cerro Rico’ (reicher Silberberg). Im Jahre 1546 wurde hier das erste Silber von einem Hirten durch Zufall entdeckt. 1560 war Potosi mit 160.000 Einwohnern die größte Stadt der Welt. Bis heute sind ca. 46.000 t Silber gefördert worden, wobei von reinem Silber zu Beginn heute nicht mehr viel geht. Mittlerweile wird Zinnerz abgebaut.

Die Lebenserwartungszeit der Mineros beträgt nur etwa 45 Jahre, bedingt durch Staublunge, Quecksilbervergiftung, Unglücke usw. Bis zum 18. Jahrhundert kostete der Berg 8 Mill. Mineros das Leben. Durch eingeschleppte Zivilisationskrankheiten kann nochmals fast das Doppelte hinzugerechnet werden. Die Spanier hatten Schwierigkeiten, immer genügend Sklaven zu ‚organisieren’. Deshalb setzten sie, um die Arbeitskraft zu erhöhen, gezielt Cocablätter ein, um Kosten zu sparen und um die Effektivität der einzelnen Sklaven zu erhöhen.

Vor dem Besuch der Mine werden wir alle mit Schutzkleidung – Helm, Hose, Jacke, Gummistiefel – eingekleidet. Dann geht’s hinauf mit unserem Bus Richtung Mine.

Zwischendurch am Ortsende ein kleiner Stop, um an einem Laden Verpflegung aufzunehmen, d.h. Cocablätter kaufen. Die Beutel sind abgepackt (ca. ½ Pfund Blätter). Außerdem kaufen wir noch den entsprechenden Kat, eine Packung Minero-Zigaretten und das war es fast.

 

„Coca-Blätter - nicht nur für Mineros"

 

 

 

 

 

Wir staunen, als uns der Händler noch einen Beutel zeigt und erklärt, was er enthält. Tja, im Beutel befinden sich etwa 2 Hände voll Sprengstoff, ein Zündmechanismus sowie eine Art Verstärker, um die Sprengkraft zu erhöhen. Er sieht unsere ungläubigen Gesichter und grinst nur. Diese Beutel kann hier jeder kaufen, ob klein oder groß, Zivilist oder Terrorist!!

 

Weiter geht’s hinauf zum Mineneingang auf ca. 4.300 m Höhe. Die Haarnadelkurven sind schon beängstigend schmal, nicht auszudenken, der Bus schafft die Kurve nicht. Zurücksetzen und neu anfahren geht nicht. (Originalton Horst: ‚Wenn ich dass geahnt hätte, wäre ich gelaufen’). Endlich sind wir doch oben.

Ein Stück neben dem Eingang buddelt eine Frau im Gestein. Wir gehen hin und lassen ein paar Fragen stellen. Die Frau ist 67 Jahre alt und buddelt seit 45 Jahren (seitdem sie Witwe ist) im Geröll. Bergarbeiterwitwen dürfen hier oben umsonst nach Mineralien buddeln, nur in die Mine dürfen Frauen nicht. Sie hat auch hier oben ihre Behausung, ohne Licht, Wasser oder sonstiges. Ihr Einkommen beträgt etwa 4 $ im Monat!! Ihre Freundin arbeitet nebenan und dürfte auch in etwa gleich alt sein.

„Alte Frau auf dem Cerro Rico"

Für uns ist das eine wirklich andere Welt. Ich fühle mich um 2 – 3 Jahrhunderte zurückversetzt.

„Wohnung der alten Frau"

Zurück beim Mineneingang werden unsere Karbidlampen gerade gefüllt. Die Lampen haben auch schon etliche Jahre auf dem Buckel und manche weigern sich lange, zu brennen. Dann nichts wie rein in den Schacht. Das Holz am Mineneingang ist als Schutz mit Lamablut gestrichen, die Eingeweide des Lamas werden vor der Mine vergraben und das Fleisch dann anschließend gegrillt. Unsere Karbidlampen sowie die mitgebrachten Taschenlampen spenden ein düsteres Licht. Wer größer als 180 cm ist, muss des öfteren den Kopf einziehen. Die Warnung ‚Vorsicht Kopf’ kommt auch von den Mineros in deutsch. Dann und wann sind Quergänge zu erkennen sowie Schächte nach oben und nach unten. Nach etlichen Kurven sind wir dann am Endpunkt einer kleinen Kammer angelangt. Unser Führer gibt uns Informationen über die Grube, die Arbeitsbedingungen und einiges andere mehr.

Nachdem auch wir Pachamama gehuldigt sowie dem Teufel eine Zigarette zu rauchen gegeben haben, treten wir doch beeindruckt den Rückweg an. Wir sehen auch jetzt wieder etliche senkrechte Stollen und fragen uns, wie kann und konnte man so nur arbeiten bzw. arbeiten lassen? Wobei die Herrscher ja angeblich Christen waren?!

Wir sind froh, wieder Tageslicht zu erblicken und unsere Karbidlampen abgeben zu können. Auch heute arbeiten an und in diesem Berg noch etliche tausend Menschen. Ein Minero der untersten Klasse hat bei 6 – 7 Wochentagen sowie einem 10-Std.-Tag einen Verdienst von ca. 10 USD ‚im Monat’. Die nächsthöhere Schicht (Kaste) liegt bei 18 – 19 USD, auch im Monat.

In diesen 2 Stunden haben wir alle eine wirklich andere Welt gesehen, es war keine gute, weder früher noch heute.

Das Durchschnittsalter unserer Reisegruppe liegt übrigens bei etwa 47 Jahren (Lebenserwartung eines Mineros – 45 Jahre) – nicht auszudenken....

José sagt uns, dass man aus dem in Potosi geförderten Silber eine Brücke von Potosi bis nach Madrid bauen könne. Aber auch eine ebensolche aus den Knochen der in den Minen umgekommenen Menschen.

Er sagt ebenfalls, dass der Berg durchlöchert ist wie ein Schweizer Käse. Gut, dass wir wieder heil wieder unten angekommen sind.

Heute Abend klappt es endlich mit dem Lama auf dem Teller. Das Fleisch hat kein Fett und schmeckt sehr gut.

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Stand: 17. September 2002.