Um dem Ansturm unserer Gruppe auszuweichen, gehe ich schon früh zur Toilette. Die Spülung funkioniert. Dann ist Zähneputzen, Rasieren und Waschen angesagt. Nanu, kein Wasser mehr da. Versuche es in der nächsten Stunde noch mehrmals, immer noch nichts. Regenwald, Regen und kein Wasser aus dem Hahn! Wilner erkundigt sich. An der Wassersammelstelle, ca. 90 Minuten entfernt, hat es durch den langen und heftigen Regen eine Verstopfung gegeben, und so kommt jetzt hier kein Wasser mehr an. Blöd! Also Zähne putzen mit Wasser aus der Trinkflasche und das Rasieren wird einfach zurückgestellt. Ist ja nicht das erste Mal.
Dann ist auf einmal das halbe Dorf in der Lodge. Sie möchten
selbstgebastelte Halsketten in den
verschiedensten Variationen und Mustern verkaufen. Mechtild findet
natürlich auch wieder eine.
Auch Pfeile sind zu kaufen, mit denen u.a. Kapibaris und Affen
gejagt werden. Aber sie sind
schwer zu transportieren und wir haben ja noch über 2 Wochen Urlaub
vor uns. Wir sprechen mit Wilner darüber und Mechtild macht den
Vorschlag, die Pfeile in ein Bambusrohr zu stecken. Wilner übersetzt
und der Verkäufer kommt kurze Zeit später mit einem Bambusrohr
wieder. Leider passen nur 2 und nicht 3 Pfeile in das Rohr, aber
immerhin etwas. So ist der Transport einigermaßen sicher.
Auch ein alter Mann ist mitgekommen, der quadratische Stöckchen
in der Hand hält. Keiner kann
sich erklären, wofür die gut sind. Also führt er es vor. Er setzt
sich auf die Erde, legt eine dieser
Leisten auf den Boden, hält sie mit den Zehen fest und zwischen den
Händen zwirbelt er mit ei-nem Hölzchen in der Vertieferung des
anderen Holzes herum. Also sind ie Hölzchen zum Feuer
machen. Aber keiner kauft. Später ärgere ich mich wahnsinnig, dass
ich ihm nicht 2 seiner Stöck-chen abgekauft habe. Er kann
wahrscheinlich nichts anderes arbeiten und wäre über einen klei-nen
Verdienst sicher wahnsinnig glücklich gewesen.
Zum Glück hat es aufgehört zu regnen und so können wir das
Indiodorf Shintuja besichtigen. Hier
unterhalten Jesuiten eine Schule.
Bei dem Rundgang durch das Dorf erstehen wir auch 4
Kokosnüsse für je 2 Soles. Der Weg durch
das Dorf ist eigentlich ziemlich trostlos. Der Madre de Dios ist
enorm angestiegen, die Fließ-geschwindigkeit hat sich nochmals
erhöht. Und Manni hat noch eine besondere Überraschung für uns.
Er hat seinen 'Honeckerhut' plattgeklopft und entsorgt, weil er
Honecker nun mal nicht leiden kann und nicht mit ihm verglichen
werden möchte. Typisch Manni, immer für eine Über-raschung gut.
Therme von Shintuya
Wieder im Boot geht es rüber auf die andere
Seite zu den Thermen von Shintuya. Als ich die
Anlegestelle sehe, denke ich nur „Scheiße“.
Sieht aus wie ein Klettersteig. Nur ein paar lose
Baumscheiben als Tritte in dem hohen Ufer. Aber
mit ein paar gereichten Händen bin ich schnell
oben. Das ca. 40 ° C warme Wasser ist herrlich.
Wellness pur. Wir liegen alle im warmen Wasser
und lassen es uns gut gehen. Wilner besorgt
Bier und Tony kommt mit Bierflasche und
Zigarre: „Al Capone“. Nach zwei Stunden sind
wir weich gekocht und nach intensiven
Gesprächen wohlig entspannt.
Wellness in der Natur-Therme
Das Wasser kommt aus einem etwa 4 km weiter entfernten Berg. Wir sind erstaunt, als Wilner uns Therme von Shintuya erzählt, dass für diese Thermen sogar Eintritt gezahlt wird. Aber die Familie, die hier lebt, muss nach jedem Hochwasser die Steine um das Becken neu legen. Und außerdem hat sie ja auch das Umkleidehäuschen gebaut, einen kleinen Bretterverschlag mit einer weißen Spitzengardine als Tür.
Weiter geht es nach Itamania, wo wir beim Aussteigen über Holzstapel
(wertvolles Tropenholz)
kraxeln müssen. Die Männer sind ganz fasziniert von den alten LKW's.
Aber man sieht, dass dieses
Dorf über mehr Geld verfügt, etliche der Häuser sind aus Stein
gebaut. Hier leben die meisten
Bewohner vom Holzeinschlag und Holzverkauf, hauptsächlich
Zedernholz. Das Holz wird auf der
anderen Seite des Madre de Dios geschlagen (geerntet), über den
Fluss transportiert, auf abenteuerliche LKW's geladen und etwa 3
Tage über exotische Straßen bis nach Cusco transportiert.
In einem kleinen Laden wollen wir Nachschub an Getränken kaufen.
Wasser gibt es keins, Bier nur
in Riesenflaschen (1,1 l). Ist auf unserem motorisierten Kanu
(übrigens 60 PS) wohl nicht das gelbe vom Ei. Also diesmal nur Cola.
Im zweiten Laden geht es nicht besser. Erst im dritten Geschäft
bekommen wir alles, was wir brauchen, einschließlich zwei Kisten
Bier.
Dann geht’s weiter flussabwärts. Im Fluss schwimmt viel Treibholz und bildet teilweise Inseln und Strudel. Aber Augusto ist ein super Capitano und Nestro ein klasse Steuermann. An einer kleinen Steininsel halten wir an und machen Mittagspause. Reis, Avocado, Tomatenscheiben. Es schmeckt gut, dazu ein Glas Cerveza, und alle sind zufrieden und satt.
Wilner will mit uns ein Indianerdorf besuchen, in dem die Bewohner teilweise noch tradtionelle Kleidung tragen. Außerdem bereiten sie Tapire und Affen zu. Kleine Wanderung, 30 Minuten oder 40 Minuten wie er immer sagt. Im Gänsemarsch geht’s durch den Dschungel. Der Weg wurde mit einer Machete geschlagen. Und dann kommt das Problem. Durch den Regen ist der Fluss, den wir sonst leicht hätten queren können, auf ca. 40 m Breite angewachsen. Wie tief? Wilner und Tony schätzen, dass in der Mitte 2 m Höhe erreicht werden. Also zu gefährlich, und es geht zurück zum Boot (vorher natürlich Gummistiefel säubern) und unserer Lodge nach Yanayaco. Wilner ist lernfähig und sagt jetzt lieber 60 Minuten bei einem Weg von 50 Minuten. Deshalb sind alle froh, als wir bereits nach 30 Minuten am Ziel sind. Aussteigen und kurzer Anstieg auf ein flaches Plateau mit etlichen auf Stelzen stehenden Hütten.
Wir sind mal wieder auf's Angenehmste überrascht. Eine riesige Gemeinschaftshütte mit angrenzender Küche. Dazu für jeden ein kleinen Schlafhaus mit großer, funktionierender Dusche (aber nur kalt) sowie Toilette und Betten mit Moskitonetzen. Die Schlafhäuser sind ohne Beleuchtung, aber wir haben ja unsere Stirnlampen, und für die Gemeinschaftshütte gibt es einen Generator. Die Möbel (Tische, Stühle und Schaukelstühle) sind aus schwerem Zedernholz, bei uns unbezahlbar.
Tapir bei der Yanayaca-Lodge
Wir fühlen uns sofort wohl hier. Auf einmal kommt die Pächtersfrau (17 Jahre, ein Kind von einem Jahr) und sagt, der Tapir sei wieder mal da. Der Indianer und Tony locken das Tier mit Brot in unsere Nähe. Es scheint ihm gut zu schmecken. Bereitwillig lässt er sich von allen füttern, auch mit Keksen, die von diesem Zeitpunkt an nur 'Tapirkekse' heißen. Als von einem Baumstamm ein Ast abbricht, setzt er zur Flucht an, aber seine Fressgier ist doch größer als seine Angst. Als typisches Männchen genießt er es, wenn ihm der Bauch gekrault wird. Schon erstaunlich, wie zahm dieser Tapir wirkt, lassen sich die Tier doch nicht domestizieren. Auch hat der Tapir seitlich eine große sichtbare Narbe. Da in der Ordnung nur Jaguar und Mensch über ihm stehen, hat ihn wohl einer dieser Beiden verwundet.
Tapir-Fütterung
Mir ist kalt, ich habe mich wohl nach dem Baden im Fahrtwind
etwas verkühlt. Da hat es Sabine
besser gemacht: Anorak, Kapuze, wie auf einer Nordpolexpedition.
Der Tapir schleicht immer noch um unsere Hütte. Auf dem Steg zwischen Hütte und Küchen können wir ihn gut sehen. Auf einmal ein Krachen. Das Stück Steg unter Monika, Wilner, Manni, Sabine und Friedel bricht zusammen, und die 5 fallen in die Tiefe. Zum Glück passiert nichts Schlimmes, nur kleine Blessuren. Kurze Zeit später ist der Steg schon wieder notdürftig repariert.
Ich will noch ein Foto von der Abenddämmerung machen. Der Tapir ist immer noch da. Nestro von der Bootsmannschaft gibt mir eine Banane, mit der ich den Tapir dann füttern kann. Sie be-kommt ihm gut und ich darf ihn auch ein bisschen streicheln. Diese Tiere laufen täglich bis zu 100 km, und er taucht sehr unregelmäßig in der Lodge auf. Wir haben also großes Glück ge-habt.
Das Essen ist wieder köstlich. Erstaunlich, was Timotheo immer
Tolles zaubert, nachdem er uns
am Nachmittag schon mit Popcorn verwöhnt hat. Nach dem Essen brechen
alle außer Hans (er ist
immer noch total angeschlagen) und mir (ich bin im Dunkeln blind wie
ein Stockfisch) zur Nacht-wanderung auf. Mit den Stirnlampen sehen
sie wie Glühwürmchen aus. Mal sehen, wie lange die halbstündige
Wanderung diesmal dauert.
Yanayaco-Lodge
Nach dem Abendessen ist noch eine Nachtwanderung durch den Dschungel geplant. Wir brechen mit Tony und Wilner auf, natürlich wieder in Gummistiefeln, wegen der Schlangen. Dazu sind alle mit Kopflampen ausgerüstet. Durch Matsch und über Holzstege geht es einen schmalen, durch den Busch gehauenen Pfad entlang. Fremdartige Geräusche zuhauf. Ich würde einen solchen Weg allein wohl auch bei Tageslicht nicht machen, geschweige denn bei Nacht.
Nach über einer Stunde kommen sie zurück, und wir sitzen noch
etwas zusammen. „Ja, ja“, sagt
Manni, „das waren noch Zeiten, als die Gummistiefel noch aus Leder
waren.“ Heute müssen wir
leise lachen, denn die Crew hat sich bereits in unserem
Gemeinschaftsraum zum Schlafen nieder-gelegt. Sie haben auch heute
wieder einen harten und anstrengenden Job gemacht. Wilner erzählt
noch von der Plattaforma, auf der wir demnächst übernachten werden
und die ganz bequem ist. Wahrscheinlich ist sie aus
Schaumgummi-Brettern gebaut.
Morgen ist das erste Mal ein etwas ruhiger Tag angesagt. Wollen mal sehen. Na dann, gute Nacht.