Jetzt sind wir schon über 14 Tage unterwegs. Die Zeit vergeht wie im Flug. Wir haben viel erlebt, viel gesehen, Eindrücke en Masse, es wird wohl einige Zeit dauern, bis das alles verarbeitet ist und es liegen ja auch noch 14 ereignisreiche Tage vor uns, die sicherlich auch sehr interessant und lehrreich sein werden. Dazu nach Peru noch Bolivien und Brasilien.
Heute Morgen werde ich schon gegen 05.00 Uhr wach. Die Nacht war nicht kalt. Es wird langsam hell. Ich stehe auf und mache ein paar Fotos von der Morgenstimmung. Unsere Küchencrew ist auch schon munter und bereitet das Frühstück. Nach und nach werden auch die anderen wach und wir treffen uns an der Frühstücksstelle.
Piranhas zum Frühstück
Timo überrascht uns mit French Toast. Er lässt
sich immer wieder etwas Neues einfallen. Und
zum 'Nachtisch' gibt es Piranhas. Lecker, aber
man muss vorsichtig essen, viele Gräten. Tony
macht dann noch unsere Kokosnuss auf. Wird
wohl nicht viel drin sein, sie gluckert nicht. Aber
dann ist sie randvoll.
'Normales' Transportmittel
An unserem Frühstückstisch zieht ein klappriger zweirädriger Wagen vorbei, gezogen von einem Ochsen. Dass es so etwas noch gibt. Jetzt müssen nur noch unsere Feldbetten, die Otto-Tours gehören, abgebaut, zusammengelegt und in Beuteln verstaut werden.
Wilner hat gestern noch im Dorf nachgefragt, ob wir eine Besichtigung durchführen dürfen. Hier haben die Menschen aber wohl regelrecht Panik vor einer Ansteckung. Wenn ich das, was hier wegen der Schweinegrippe abgeht, auf Deutschland übertrage, muss ich allen Ernstes davon ausgehen, halb Deutschland existiert nicht mehr. Doch Wilner hat zu einer Notlüge gegriffen und gesagt, dass wir schon 4 Wochen in Peru sind und gesund. Daraufhin dürfen wir ins Dorf.
Viele der Einwohner arbeiten hier als Paranusspflücker. Im
Dorf ist ein Holzrost aufgestellt, auf
dem die Nüsse erstmal trocknen müssen. Auch lassen sich diese Bäume
nicht kultivieren, d.h.,
sie lassen sich nicht als Plantagen anpflanzen. Sie wachen also
wild, mal hier mal da. Das er-schwert natürlich die Ernte. Wir sehen
dann in einem Gebäude eine Frau, die uns erklärt und
zeigt, wie hier Paranüsse geknackt werden. Alles Handarbeit. Jede
einzelne Nuss. Rechts und
links am Ende der Nuss drückt das simple Gerät die Nuss kaputt und
die Nuss kann heraus-gezogen werden. Die Nussschalen selbst werden
vorher angefeuchtet, ich nehme an, es er-leichtert das Knacken.
Kaiman
Der Weg zum Boot ist genau so glitschig wie gestern, aber alle kommen relativ sauber ins Boot. Zuerst geht es wieder durch den engen Flusslauf. Auch heute wieder viele Eisvögel und Chacas. Leider sind sie zu flink, man schafft es nicht, sie aufs Foto zu bekommen. Kaimane sind wahr-scheinlich Langschläfer, heute morgen bekommen wir nur wenige zu sehen. Und Tony macht erst gar keine Anstalten, ein Tier zu fangen. Heute erschrecken wir auch nicht mehr, wenn wir mit dem Boot über Baumstämme schrammen, die unter Wasser liegen. Wie schnell man sich doch daran gewöhnt. Und auch Susannes Kommandos 'Bäume links' und 'Bäume rechts' klappen gut. Es bedeutet immer für die jeweilige Seite, den Kopf einzuziehen, weil Äste oder Zweige ins Boot schlagen. So machen wir manche unfreiwillige La-Ola-Welle.
Nach rund einer Stunde haben wir den Madre de Dios wieder erreicht. Der Lotse und der Kapitän haben wieder Schwerstarbeit verrichtet. Der verwunschene Kanal liegt hinter uns. Der erste Blick geht wieder auf die Goldgräber-Schiffsanlagen. Noch ca. 10 km bis zur bolivianischen Grenze.
Peruanische Grenzstation
Die Grenzer hier haben einen mehr als ruhigen Job. Vom Stress her könnte man hier bestimmt bis 100 arbeiten. Aber auch langweilig und öde. Wer kommt hierher und will hier über die Grenze?
Bolivianische Grenzstation
An der peruanischen Grenze klappt alles problemlos. Während die
Gruppe ein kaltes (endlich)
Chusqueno aus dem Kühlschrank genießt, regeln Wilner und Tony die
Formalitäten. Dann geht es
400 m flussabwärts zum bolivianischen Grenzposten. Tony will alles
regeln. Wir bekommen noch Infos. Falls ein Grenzer kommt, sagt
sofort, dass ihr aus Alemania kommt. Die Gringos (Nordamerikaner)
mag hier nämlich keiner. Ist es im Rest der Welt anders? Wir
müssen dann alle in die Station kommen. Also, wieder einmal raus aus
dem Boot in den Schlamm. Natürlich rutsche ich wieder. Dann eine
wackelige lange Holztreppe hoch, teilweise ohne Geländer. Oben
erhalten wir dann unseren Pass und können wieder gehen. Aber der
Stempel ist schön. Und die Uhr muss eine Stunde vorgestellt werden.
Nach 2002 sind wir jetzt das zweite Mal in Bolivien. Damals waren wir fast nur auf dem Altiplano unterwegs. Jetzt die Durchreise im äußersten Norden.
Die Schwimmwesten müssen wir auch wieder anziehen, mindestens bis
wir außer Sicht sind. Sie
sind unangenehm, denn sie wärmen noch zusätzlich. Als ob es nicht so
schon warm genug wäre.
Aber nach 10 Minuten sind wir die Schwimmwesten zum Glück wieder
los. Nur wenn das Boot
Fahrt aufnimmt, kühlt es ein wenig ab. Auf dem Strom ist kein
Verkehr. Wir sind weit und breit das einzige Boot. Einige haben sich
aus Gepäck und Schwimmwesten einen Schlafplatz gebastelt und dösen
bis zum nächsten Stopp vor sich hin. Irgendwie sind heute alle
ziemlich still. Das Abenteuer Amazonien zeigt die ersten Spuren.
Kurz darauf können wir Dollar in Bolivianos umtauschen, 1 US $ = 6,8
Bolis. Vor uns liegen jetzt 5 Stunden Fahrt bis nach Amerca, der
Hacienda, auf der wir heute Nacht untergebracht sind.
Goldwäscher auf dem Madre de Dios
Aber wir haben auch Gelegenheit, den Goldwäschern bei der Arbeit
zuzusehen. Diese Anlagen
sind in Ufernähe verankert. Sie ziehen das Wasser mit allen
Sedimenten vom Flussboden an, und
es läuft dann über eine schräg angelegte Matte. Das Gold (Goldstaub)
bleibt auf dieser Matte hängen. Die Ausbeute pro Tag, bei etwa 20
Stunden Arbeit, maximal 30 g Gold. Ein mühsames Geschäft. Die Matte
muss alle 20 Stunden gewechselt werden und das an 6 Tagen in der
Woche und immer im Rhythmus drei Wochen Dienst, eine Woche 'Urlaub'
in Riberalta.
Goldwaschanlage
Die Goldwaschanlagen gehören i.d.R. nicht den darauf
arbeitenden Personen, sondern einem
Boss irgendwo in der Stadt. Die Arbeiter selbst hausen (besser
gesagt vegetieren) und malochen
so dahin. Der Schlaf- bzw. Aufenthaltsraum nur ein Bretterverschlag.
Moskitos jede Menge.
Manchmal ein Hausboot am Ufer mit Frau und Kind. Es ist alles sehr
armselig. Auch Schule ist für diese Kinder wohl ein Fremdwort. Die
Zukunft? Welche? Und die Pumpen dürften ungefähr mein Alter haben.
Kurz darauf eine kurze Pinkelpause. Es gibt hier jede Menge
Moskitos, also schnell wieder weg.
Und dabei sind die Viecher so winzig.
Die Fahrt zieht sich ziemlich in die Länge. Heute Abend haben wir
Gelegenheit, unsere Feldbetten
auf der Hacienda 'Puerto Amerca' aufzustellen. Die Hacienda wird von
einem Verwalter geleitet
und gehört wohl einem höheren Politiker des Landes. Als wir anlanden
wollen, müssen wir uns
erstmal an einem riesigen Hausboot und einer Paranuss-Fuhre
vorbeischlängeln. Im letzten Dämmerlicht kraxeln wir das Ufer hoch.
Schnell werden die Feldbetten und Moskitonetze aufgestellt bzw.
aufgehangen (heute zum letzten Mal).
Vogelspinne
Derweil tauchen draußen zwei riesige Vogelspinnen auf, die natürlich ausführlich begutachtet werden. Die eine Tarantula wird von einem Arbeiter, die andere von Tony unschädlich gemacht. In der Palme ist ein Nest und ab und zu fällt schon mal ein Tier auf die Erde. Gut, dass wir die Fenster und Türen zumachen können. Aber Frösche, Grashüpfer und so manch anderes Getier fühlt sich bei uns im Raum ziemlich wohl.
Heute haben mich die Moskitos auch ziemlich erwischt. Überwiegend im Wadenbereich an beiden Beinen. Trotz Socken usw. habe ich sicherlich 40 bis 50 Stiche auf jedem Bein. Und dazu noch einen mitten auf der Nase.
David, der uns den Raum überlassen hat, spendiert eine eiskalte Kokosnuss. Auch will er uns einen Block gepressten Kakaos schenken, der Goldwaschanlage in der Kühltruhe lagert, aber was sollen wir mit dem anfangen? Außerdem sieht dieser Block nicht besonders appetittlich aus. Ist schon gut, dass wir in der Kühltruhe unser Bier kühlen dürfen. Marion hat heute die Bierausgabe, und sie schüttelt sich förmlich, wenn sie die Kühltruhe aufmacht. Fleisch ohne Verpackung, ich traue mich gar nicht in die Truhe zu schauen. Zumal die Truhe ja nur kühlt, wenn der Generator läuft, und das ist nur ein paar Stunden am Abend.
Sonnenuntergang am Rio Madre de Dios
Timo hat schnell das Essen fertig, und nach einem Bierchen verkriechen wir uns schnell unter unsere Moskitonetze.
Das Kreuz des Südens ist auch wieder zu sehen. Aber Flugzeuge am
Himmel sind weiterhin Fehlanzeige.