Mythos Amazonien

... von der Quelle des Amazonas bis Manaus

Fahrt mit dem Frachtschiff

Ich habe Monika gebeten, heute Morgen mal kurz an unsere Tür zu klopfen, da unser Wecker immer noch ein bisschen verrückt spielt. Aber der Wecker und nicht Monika holt uns aus dem Tiefschlaf. Es war die vorerst letzte Landnacht. Ab jetzt gibt’s Übernachtungen in der Hängematte auf dem Frachtschiff.

Beladen des Frachtschiffes

Gut, dass unsere Taschen schon so gut wie fertig sind. Da bleibt noch Zeit für ein ausgiebiges Frühstück. Ich habe nicht so rechten Hunger. Ich denke daran, dass ich ja gleich über ein schmales Brett, das lt. Marion ziemlich glitschig ist, auf das Boot balancieren muss. Eine Taxifahrerin bringt uns zum Hafen. Leider verstehen wir ihre Fragen und Erklärungen nicht. Mit Schrecken sehe ich das Brett. Gut, dass ich kein Gepäck mehr habe, meinen Rucksack hat Tony schon geschultert. Also vorsichtig anfangen. Und schon ist wieder eine helfende Hand da, und es ist ganz leicht. Auch die Stiegen bis aufs Oberdeck sind besser als erwartet. Unser großes Gepäck wird in einer Kabine verstaut. Da ist es sicher und wir brauchen nicht aufpassen. War eine super Idee von Manni, eine Kabine zu mieten.

Unsere Hängematten auf dem Oberdeck

Auch die Hängematten sehen o.k. aus. Aber ich sitze doch lieber erstmal vorsichtig Probe. Die
Aufhängung wird noch etwas reguliert, fertig. Wilner und Tony haben für uns hier oben 11
Hängematten aufgehangen. Bisher hängen auf dem Oberdeck auch nur 16 Hängematten, noch ist viel Platz.

Hängematten im Zwischendeck

Wir haben noch ca. 2 Stunden bis zum Auslaufen. Auf dem Oberdeck befindet sich die Bar (mit ca.  500 Dosen Cervezas) und auch die Rettungsboote. Da kann uns wohl nicht viel
passieren. Unsere Reise auf dem Schiff wird wohl so um die 1.300 km lang sein. Ich schaue mir
mal das mittlere Deck an, alles rappelvoll, ca. 130 bis 150 Hängematten. Dazu jede Menge
Gepäck. Schon gut, dass unsere Hängematten auf dem Oberdeck sind.
Wie wir aus unserem Reiseführer erfahren, werden diese tradionellen Amazonasboote wegen ihrer luftigen Bauweise und der an Deck aufgespannten Hängematten der Passagiere auch Gaiola, Vogelkäfig, genannt. Ein wahrhaft passender Vergleich.

Unsere Gruppe

Da Tony uns gleich verlässt, werden erstmal Fotos gemacht. Eine Gruppe Brasilianer amüsiert sich über uns. Für die sind wir sicher wie Japaner. So, gleich 10.00 Uhr, es könnte also bald losgehen. Aber es werden immer noch Säcke mit Zwiebeln gebracht. Rainer hat das Schiff schon 'Zwiebeldampfer' genannt. Ganz passend bei dem Geruch.

Tony muss von Bord. Der Abschied geht ihm sichtlich genau so nah wie uns. Er ist uns in der letzten Zeit zu einem guten Freund geworden. Wir haben viel zusammen erlebt und viel gelacht. Es war eine tolle Zeit mit ihm.

Um 10.00 Uhr sollte es eigentlich losgehen. Es wird 11.00, 12.00 und um 13.00 Uhr liegen wir immer noch im Hafen. Die Bar ist schon geöffnet und die Musik dröhnt. Nach den 3 Tagen werden wir wohl einen Hörschaden haben. Da ist Friedel jetzt eindeutig im Vorteil, wenn es ihm zu laut wird, kann er einfach sein Hörgerät abstellen. Zum Glück gibt es im Moment auf dem Boot ab und zu Stromausfall, und wir genießen diese Stille.

Nach 14.00 Uhr geht es endlich los. Und wir werden, wie es scheint, erstmal im Kreis gedreht, damit wir in die richtige Richtung kommen. Nach 10 Minuten Fahrt kommt ein Boot längsseits, ein Tankschlauch rüber, und es wird erstmal getankt. Die rosa Flussdelfine sind auch wieder da. Und aus den ursprünglich 16 Hängematten sind inzwischen 26 geworden. Gegen 16.00 Uhr geht es dann wohl endgültig los. Wir haben ungefähr 43 °C.

Manni läuft barfuß zwischen den Hängematten herum. Als er ins Heck des Schiffes will, hat er
nicht bedacht, wie heiß die Planken durch die Sonne geworden sind und legt einen respektablen
Veitstanz hin.

Der Rio Madeira scheint jede Menge Sandbänke und Untiefen zu haben. Der Kapitän steuert das
Schiff auf der linken Seite fast am Ufer entlang den Fluss abwärts. Auch hier sind jede Menge
Goldwaschanlagen zu sehen.

Ein ordentlicher Dschungelregen steht heute auch auf dem Programm.Bisher sind wir ja gut davon gekommen. Die Regenponchos liegen immer noch ganz unten in den Rucksäcken. Zum Abendessen müssen wir uns anstellen. An den Tisch, der vor einer Wand steht, passen nur ca. 10 Personen. Wer satt ist, macht Platz für den nächsten. Es gibt Suppe, na ja, geht so, aber wir haben Hunger.

Die Riesenboxen der Musikanlage stehen nah bei Mechtilds und meiner Hängematte. Die Musik
ist rhythmisch ansprechend. Auf dem Oberdeck fangen einige Einheimische an zu tanzen. Samba, Salsa, sieht ziemlich gut und professionell aus.
Fast alle Einheimischen laufen in Flip Flops herum, und es scheint fast, als ob sie schon mit Flip Flops an den Füßen geboren werden.

Sonnenuntergang am Rio Madeira

Im Dunkeln stehen Friedel und ich noch lange an der Reling und schauen ins Wasser oder den
tanzenden Brasilianern zu. Da krabbelt ein dicker Käfer von 6 bis 8 cm Länge über das Deck. Jemand fängt ihn ein und wir können ihn genau betrachten. Schwarz, glänzend, ein Horn und etwas, das aussieht wie eine Schere. Ein wunderlicher Kerl. Der 'Fänger' redet auf uns ein, wir verstehen natürlich nichts. Dann geht er mit dem Käfer weg. Er wird ihn wohl zwischen den Zwiebeln aussetzen. Nach kurzer Zeit kommt er jedoch wieder zurück und bietet uns ein Stück des Käfers mit den Worten „Amore , Amore“ an. Sollte es sich um ein Aphrodisiakum handeln? Er wird den tollen Käfer doch wohl nicht dafür gemordet haben. Als wir ablehnen, zieht er sichtlich beleidigt davon.

Langsam wird es ernst. Die erste Nacht in einer Hängematte. Wilner will mir helfen, aber das
schaffe ich doch wohl allein. Ich liege auch gleich ziemlich gut, nämlich etwas schräg und somit
ziemlich bequem für den Rücken. So wird’s gehen. Nur Friedel findet, dass ich mich zu dick mache.

Vor meiner Hängematte stehen noch 4 junge brasilianische Machos, die rauchen, trinken und „Juchu“ schreien. Mensch Leute, geht in Eure Hängematte, Euch will doch eh keiner mehr hören!

Ich versuche, in meiner Hängematte eine bequeme Position zu finden, aber das fällt mir noch
schwer. Und dann muss ich auch nochmal raus, weil es mir an den Füßen zu kalt wird. Also Socken an, richtige Lage finden und schlafen.

Mehrmals in der Nacht werde ich wach. Habe absolut kein Zeitgefühl. Einmal stehen wir in einem
Hafen, der sehr einladend aussieht. Aber ob ein- oder ausgeladen wurde habe ich nicht bemerkt.
Teilweise ist es richtig frisch. Es gibt hier wohl keine Moskitos, weil sie alle erfroren sind.

Nächster Tag